Liebe Bürgerinnen und Bürger,
Sie haben am 27.06.2021 mit Dr. Robert Reck einen neuen Oberbürgermeister gewählt. Ich wünsche Ihm für seine Arbeit viel Erfolg. Er wird um so erfolgreicher sein, je mehr er vom Stadtrat unterstützt wird. Die Themen der Stadtentwicklung sind meist unpolitisch und deshalb hat Parteipolitik wenig Platz in der Kommunalpolitik. Wenn dies alle Fraktionen beherzigen, werden wir in der Stadtentwicklung auch vorankommen.
Dr. Robert Reck ist mit 37 Jahren ein junger OB, der, wenn er seine Arbeit gut macht, auch die Chance hat, für weitere Amtszeiten zu kandidieren. Dafür, dass Kontinuität positiv für eine Stadtentwicklung ist, gibt es in der Bundesrepublik viele Beispiele.
Ich nehme die Wahl des jungen OB zum Anlass, auch etwas zur Senkung des Altersdurchschnitts des Stadtrates beizutragen und beende mein ehrenamtliches und hauptamtliches Engagement für unsere Stadt. Nach fast 50 Jahren lege ich zum 31.08.2021, kurz vor meinem 80. Geburtstag, mein Stadtratsmandat nieder. Meinem Nachfolger, Herrn Thomas Picek (42 Jahre), der sich schon länger in unserem Verein und für die Fraktion Pro Dessau-Roßlau engagiert, wünsche ich viel Erfolg.
Ich selbst werde, wenn gewünscht, für jedermann mit Rat und Tat zur Verfügung stehen, aber die Verantwortung in andere Hände legen. Bei meinen Wegbegleitern, egal ob im Ehrenamt oder Hauptamt, bedanke ich mich für das konstruktive Miteinander.
Ich hoffe, dass mir nun mehr Zeit bleibt für die Familie, insbesondere für meine Enkelkinder und für meine Frau, die mein zeitaufwendiges Engagement immer verständnisvoll gestützt hat. Dr. Plettner möchte ich seinen jahrelangen Wunsch erfüllen und die wichtigsten Stationen und Ereignisse meines Lebens schriftlich festhalten.
Die Frage nach den 50 Jahren will ich für die „Nachgeborenen“ beantworten. Bei der Behandlung meiner ersten Eingabe an den Rat der Stadt im Wohnbezirksausschuss 49 (Siedlung) der Nationalen Front, Anfang 1972, wurde ich gefragt, ob ich nicht mitarbeiten wolle. Da ich in keiner Partei war, sah ich in dieser Tätigkeit die Möglichkeit, in meinem Wohnumfeld positive Veränderungen zu bewirken. Nach einem halben Jahr wurde ich bereits Ausschussvorsitzender. Es gelang mir, Kollegen und Freunde als Mitstreiter zu gewinnen und so viele Verbesserungen in unserem Wohnumfeld zu erreichen. Der größte Erfolg dieser Tätigkeit war die Nachrüstung des damaligen VEB Plastbelag mit einer Nachverbrennungsanlage, die große Teile der Bürger von Ziebigk und Siedlung von den krebserregenden Weichmacherdämpfen befreite, die bis dahin ungefiltert in die Luft geblasen wurden.
Immer an eine Wiedervereinigung glaubend, habe ich mich 1989 aktiv in die Wendebewegung eingebracht, bin in die SDP eingetreten und wurde Vorsitzender. Auf der ersten Delegiertenkonferenz der SDP im Januar 1990 habe ich als einziger Redner gegen das Programm einer 10-jährigen Konföderation der Parteivorsitzenden Ibrahim Böhme und Markus Meckel gesprochen und erreicht, dass der schnelle Weg zur deutschen Einheit in das Programm aufgenommen wurde.
Eine Zeit lang war ich Mitglied des Bundesparteirates der SPD und habe dort die Interessen der neuen Bundesländer vertreten. Eine mögliche Karriere in der Bundespolitik kam für mich nicht in Frage, weil ich meine Heimatstadt voranbringen wollte.
Mit den ersten freien Kommunalwahlen nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ich Mitglied des Stadtrates und Fraktionsvorsitzender. Bei der ersten Direktwahl des Oberbürgermeisters 1994 wurde ich dann als OB gewählt und wurde durch die Bürger auch für eine zweite Amtszeit bestätigt. Dazu musste ich auf Betreiben meines Gegenkandidaten aus der Partei austreten und habe damals die parteilose Wählergemeinschaft Pro Dessau gegründet. Die zweite Amtszeit endete mit Erreichen des Rentenalters im Oktober 2006 durch ein Landesgesetz, das nur wenige Monate Bestand hatte und von dem der Ministerpräsident sagte, er hätte nicht mitbekommen, dass er für ein solch sinnloses Gesetz die Hand gehoben hatte.
Mit einer kurzen Unterbrechung bis zur Kommunalwahl 2007 war ich bis jetzt Stadtrat. Der für mich wichtigste Erfolg meiner Arbeit in der Zeit als OB war der Erhalt der Kreisfreiheit für unsere Stadt durch den Zusammenschluss mit Roßlau und weitere Eingemeindungen. Zusammen mit vielen Mitstreitern haben wir das mit viel Engagement und dem Versprechen einer fairen Partnerschaft zum gegenseitigen Vorteil erreicht. Der damalige Ministerpräsident, Prof. Böhmer, der mir die Fusion als Bedingung für den Erhalt der Kreisfreiheit vorgegeben hatte, hat später gesagt, er hätte nicht gedacht, dass ich dies schaffe.
Im Umkehrschluss könnte man vermuten, dass es eigentlich nicht gewollt war.
Liebe Bürgerinnen und Bürger, diese Partnerschaft zum gegenseitigen Vorteil sollte weiter die Maxime unseres Handelns sein. Dabei rate ich allen, stolz auf das bereits Erreichte zu sein. Dessau-Roßlau steht im Vergleich mit anderen ostdeutschen Städten und unter Berücksichtigung einer politisch zu verantwortenden Treuhändertätigkeit, die Dessau-Roßlau als ehemaligen Standort der Großindustrie besonders hart getroffen hat, so schlecht nicht da. Schauen wir also alle gemeinsam positiv optimistisch nach vorn!
Hans-Georg Otto
nur noch Mitglied im Verein Pro Dessau-Roßlau